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16.11.2006

Eingruppierung eines Schiffsführers auf einem gemeindlichen See - Tariflücke

Enthält ein Tarifvertrag eine Regelungslücke, ist danach zu unterscheiden, ob es sich um eine bewusste oder unbewusste Tariflücke handelt. Eine bewusste Tariflücke kann wegen der Tarifautonomie nur durch die Tarifvertragsparteien selbst geschlossen werden. Unbewusste Tariflücken können durch die Rechtsprechung im Wege der ergänzenden Auslegung geschlossen werden. Voraussetzung ist, dass der Tarifvertrag sichere Anhaltspunkte für den mutmaßlichen Willen der Tarifvertragsparteien enthält.

Der Kläger ist Schiffsführer eines motorgetriebenen Fahrgastschiffs auf dem Altmühlsee, das vorwiegend für Rundfahrten von Urlaubern eingesetzt wird. Schiff und See stehen im Eigentum der beklagten Stadt. Das Arbeitsverhältnis der Parteien bestimmte sich in dem für die Entscheidung maßgebenden Zeitraum nach dem Bundes-Manteltarifvertrag für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe - BMT-G II - und dem Bezirkstarifvertrag Nr. 2 zum BMT-G II (BzT 2), der die Vergütung der Arbeiter regelt. Dieser enthält kein spezielles Tätigkeitsmerkmal für die Einreihung eines Schiffsführers. Der nach Lohngr. 4a vergütete Kläger fordert von der Beklagten den Lohn nach Lohngr. 5 ab 1. Januar 2000. Er vertritt die Auffassung, der BzT 2 enthalte eine unbewusste Tariflücke für die Tätigkeit des Schiffsführers; als der Tarifvertrag geschaffen worden sei, habe es in seinem Geltungsbereich keinen einzigen Schiffsführer gegeben, der seinen heutigen Aufgaben entsprechende Tätigkeiten zu verrichten gehabt hätte. Die Tariflücke sei durch die Heranziehung des Tätigkeitsmerkmals für Führer von Sonderfahrzeugen, für deren Bedienung der Führerschein der Klasse 2 (alt) erforderlich sei, zu schließen.

Die Klage hatte vor dem Vierten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Das Lohngruppenverzeichnis zum BzT 2 enthält nach seinem Regelungssystem in der vom Kläger angestrebten Lohn- und Fallgruppe keine unbewusste Tariflücke für die Tätigkeit des Schiffsführers. Es unterscheidet bei Aufzählungen von Tätigkeiten in den Einreihungsmerkmalen zwischen Ausschließlichkeitskatalogen und nicht erschöpfenden Beispielskatalogen. Zudem sieht es für bestimmte Lohngruppen eine sinngemäße Tariflückenfüllung vor. Die Lohn- und Fallgruppe, deren Ergänzung der Kläger anstrebt, beinhaltet nach einer Protokollerklärung einen Ausschließlichkeitskatalog. Er lässt damit nach dem ausdrücklichen Willen der Tarifvertragsparteien weder eine Ergänzung noch eine Lückenfüllung zu. Zudem ist die vom Kläger erstrebte Tariflückenschließung deshalb ausgeschlossen, weil der Tarifvertrag keine sicheren Anhaltspunkte enthält, wie die Tarifvertragsparteien den Schiffsführer in die Lohngruppen eingereiht hätten.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 8. November 2006 - 4 AZR 558/05 -
Vorinstanz: LAG Nürnberg, Urteil vom 15. März 2005 - 6 Sa 486/02 -

(Quelle: Pressemitteilung des BAG Nr. 66/06 unter www.bundesarbeitsgericht.de)


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