BAG Pressemitteilung Nr. 68/2003

Zeitliche Begrenzung der Nachwirkung von Tarifnormen?

Nach § 4 Abs. 5 des Tarifvertragsgesetzes - TVG - gelten nach Ablauf des Tarifvertrages zB wegen Kündigung seine Rechtsnormen weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden. Andere Abmachung sind ein für beide Arbeitsvertragsparteien geltender Tarifvertrag, eine Betriebsvereinbarung oder eine arbeitsvertragliche Abrede ggf. durch eine Änderungskündigung. Eine zeitliche Begrenzung der Nachwirkung ist im Gesetz nicht vorgesehen.

Eine seit 1984 bei der beklagten Großbäckerei als Verkäuferin beschäftigte tarifgebundene Arbeitnehmerin verlangte von ihrer bis zum 31. Dezember 1997 tarifgebundenen Arbeitgeberin die Jahressonderzahlung für das Jahr 2000 nach dem Manteltarifvertrag für das Bäckerhandwerk in Baden-Württemberg vom 12. Dezember 1991. Dieser Tarifvertrag wurde zum 31. Dezember 1996 gekündigt. Zu dem Abschluß eines neuen Manteltarifvertrages ist es bislang nicht gekommen. Die Arbeitgeberin hielt sich nicht mehr für verpflichtet, die Jahressonderzahlung zu gewähren.

Die Klage hatte vor dem Vierten Senat - wie beim Landesarbeitsgericht - Erfolg. Die Nachwirkung der Tarifnormen setzt das Bestehen beiderseitiger Tarifgebundenheit im Nachwirkungszeitraum nicht voraus. Deshalb wird die durch die Kündigung des Manteltarifvertrages herbeigeführte Nachwirkung ab dem 1. Januar 1997 durch den Verbandsaustritt der Beklagten zum 31. Dezember 1997 nicht berührt. Auch eine die Nachwirkung beendende Abmachung liegt nicht vor. Für ein Ende der Nachwirkung allein durch Zeitablauf gibt es keine Rechtsgrundlage.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15. Oktober 2003 - 4 AZR 573/02 - Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 22. April 2002 - 21 Sa 110/01 -