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17.07.2008

Stichtagsregelung im Sozialplan - BAG-Urteil vom 19.02.2008, Az: 1 AZR 1004/06 -

1. Die Parteien streiten sich über die Höhe einer Sozialplanabfindung, die in Anwendung einer im Sozialplan enthaltenen Stichtagsregelung durch die Arbeitgeberin gekürzt worden war.

Die Klägerin war bei der Beklagten seit 1980 beschäftigt. Im Jahr 2002 entschloß sich die Beklagte zu einer Restrukturierung. Im Rahmen der Restrukturierung wurde ein Sozialplan abgeschlossen. Der Anwendungsbereich des Sozialplanes bezog sich sowohl auf die geplante Restrukturierung als auch auf künftige Entlassungen bis zum 30. Juni 2006. Auf Grund wirtschaftlicher Schwierigkeiten entschied sich die Beklagte im Jahr 2005, den Betrieb zum Ende des Jahres vollständig aufzugeben. Es wurde zunächst ein Teilinteressenausgleich vereinbart. In diesem vereinbarten die Betriebsparteien den Ausspruch betriebsbedingter Kündigungen mit einer Kündigungsfrist zum Ende des Jahres 2005. In der Folge kam am 17. August 2005 ein vollständiger Interessenausgleich und ein neuer Sozialplan zustande. Dieser Sozialplan sah neben einer Abfindungsregelung auch eine Stichtagsregelung vor. Nach dieser Regelung sollten Arbeitnehmer, die ihr Arbeitsverhältnis bereits vor Abschluß des vorliegenden Sozialplans gekündigt haben, eine um 40 Prozent geminderte Abfindung erhalten. Die

Klägerin war von der Beklagten mit Schreiben vom 29. Juli 2005 zum 31. Dezember 2005 gekündigt worden. Die Klägerin kündigte mit Email vom 31. Juli 2005 ihr Arbeitsverhältnis zum Oktober 2005. Die Beklagte bestätigte die Kündigung. Nach Abschluß des neuen Sozialplanes teilte sie der Klägerin mit, daß ihre Abfindung entsprechend dem im Sozialplan vorgesehenen Abschlag um 40 Prozent gemindert werde. Mit der Klage wendete sich die Klägerin gegen die Reduzierung ihrer  Abfindung.

Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Revision war begründet.

2. Das Bundesarbeitsgericht kommt zum Ergebnis, daß der Klägerin der geltend gemachte Anspruch zustehe, da die Kürzungsregelung des Sozialplanes wegen des Verstoßes gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz unwirksam sei. Der später abgeschlossene Sozialplan finde zwar Anwendung, da aufgrund des identischen Regelungsgegenstandes, nämlich Kündigungen, die bis Ende 2006 ausgesprochen werden, das Ablöseprinzip gelte. Die Anwendbarkeit der Kürzungsregelung sei allerdings ausgeschlossen, da diese gegen den in § 75 Abs. 1 Satz 1 BetrVG nominierten betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verstoße. Die Differenzierung zwischen Arbeitnehmern, die ihr Arbeitsverhältnis vor Abschluß des neuen Sozialplanes gekündigt haben und denjenigen, die es nach Abschluß des neuen Sozialplanes kündigen, entbehre eines sachlichen Grundes. Betriebliche Interessen, wie das Interesse an einer bestimmten personellen Zusammensetzung der Belegschaft bis zu einem bestimmten Zeitpunkt, seien nicht geeignet, eine Differenzierung bei der Höhe von Sozialplanabfindungen zu rechtfertigen. Andere Gründe, die eine Gruppenbildung erlaubten, lägen nicht vor. Der Anlaß für die in dem unterschiedlichen Zeitraum vorgenommenen Eigenkündigungen sei identisch, nämlich die bevorstehende Betriebsstilllegung. Auch seien die wirtschaftlichen Nachteile der früher kündigenden Arbeitnehmer nicht geringer als die der später kündigenden Arbeitnehmer. Die vorgenommene Differenzierung sei mithin unwirksam.

Die Unwirksamkeit der Bestimmung führe in Anwendung des entsprechenden Rechtsgedankens des § 139 BGB nicht zur vollständigen Unwirksamkeit des Sozialplanes, sondern es fehle lediglich die Möglichkeit, die Abfindung der Arbeitnehmer, die vor Abschluß des zweiten Sozialplanes gekündigt haben, zu kürzen.

3. Die Entscheidung bestätigt die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes, daß insbesondere das betriebliche Interesse an einer eingearbeiteten und qualifizierten Belegschaft keinen Differenzierungsgrund darstellt.

 


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